Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Durchs Okertal nach Torfhaus                                                                                              18.02.2018 Es ist Sonntag. Links die Kaffeetasse, rechts ein belegtes (West)Brötchen in der Hand und durch die Fensterscheiben lugt das Dach der Kaiserpfalz hervor. Auf der Seite gegenüber versuchen die frühen Sonnenstrahlen den Rammelsberg zu überwinden. Ich bin in Goslar, es ist zeitiger Vormittag und dies ist schon mein zweites Frühstück, beim Sohnemann. Die erste Tasse Kaffee ist drei Stunden her, denn auch am Sonntag treibt es mich ziemlich zeitig aus den Federn. Im Flüssigkeitsbehälter drückt es und die Knochen sind sehr deutlich zu spüren. Der Volksmund hat dafür das schöne Wort von der „senilen Bettflucht“ geprägt und mich hat sie inzwischen fest im Griff. Lustig geht anders, aber genau deshalb genieße ich dieses zweite Frühstück im erweiterten Familienkreis. Keimendes Seniorenleben bedeutet ja auch, dass die Tage immer länger, die Schlafzeiten aber kontinuierlich kürzer werden. Dafür werden die Sonnenaufgänge schöner, jeden guten schmerzhaften Morgen neu. Also genieße ich den Morgen und das Zusammensein, denn jünger wird keiner diesen Raum verlassen, meint die Uhr an der Wand. Lily zu meinen Füßen interessiert das alles herzlich wenig. Hunde- Senioren haben neben Gassi gehen nur noch den nächsten Happen und das Pennen im Sinn. Heute allerdings ist sie unruhig, weil ihr das zu viel Trubel in einem unbekannten Umfeld ist. Im Zimmer nebenan tobt sie sich an einem Latschen aus.                                                    Alle Fotos auf dieser Seite kann man durch Anklicken vergrößern. Zwei Stunden später sitzen wir im Auto und verlassen Goslar in Richtung Oker. Rechts die Goslarschen Höfe und vor uns die Bundesstraße zum Okertal. Bald liegen die letzten Häuser hinter uns und wie auf ein geheimes Kommando, rücken plötzlich die Berghänge nah an die Straße. Zu beiden Seiten steigen die Berge steil empor. Neben der Straße presst sich das Flüsschen Oker unter den Felsen und zwängt sich zwischen riesigen Steinen hindurch. Hier irgendwo gibt es einen Steinhaufen im Wasser, den man die Verlobungsinsel nennt. Eigentlich ist hier ein Halt vorgesehen, um eventuell einen Beweis von der Stempelstelle mitzunehmen. Als die nächsten Häuser zu sehen sind, weiß ich, wir sind an dieser Insel schon vorbei. Die Verlobungsinsel muss verdammt gut getarnt sein. Pech gehabt und auf den Sommer verschoben. Das Haus vor der Frontscheibe repräsentiert das „Königreich Romkerhall“. Das Restaurant und Hotel im Harz wird als „kleinstes Königreich der Welt“ angepriesen und bekommt seine Anziehungskraft von einem imposanten Wasserfall, der auf der anderen Straßenseite vom Felsen bis fast zur Straße stürzt und dabei über 60 Meter Höhenunterschied hinter sich lässt. Man steht am Straßenrand, den Kopf im Genick und schaut zu, wie aus luftiger Höhe das Wasser nach unten fällt. Allerdings ist es Februar und die Nächte sind bitter kalt. Das Naturschauspiel ist von oben bis unten gefroren und nur ein schmales Rinnsal plätschert über die imposanten Eisgebilde und riesigen Eiszapfen bis nach unten. Was für ein Schauspiel! Allerdings wurde die, als Schleierkaskade angelegte Attraktion, künstlich geschaffen, doch ist dadurch nicht weniger beeindruckend. Ich stehe einfach nur davor und staune in die Höhe. Toll! Nur einen reichlichen Kilometer weiter rücken die Berghänge wieder weit auseinander und geben, auf knapp vierhundert Meter Höhe, den Blick auf eine wuchtige Staumauer, mit einem gewaltigen Stausee dahinter, frei: Die Okertalsperre. Das Betonbauwerk ist gut 250 Meter lang und misst 75 Meter bis zur Oberkante, also gut zehn Meter mehr als der Wasserfall von Romkerhall zuvor. Beim Blick nach unten beschleicht mich ein komisches Gefühl, aber für den Fall, dass man es versuchen will, sind Fangnetze über die ganze Länge gespannt. Außerdem bräuchte ich eine Leiter, um auf die Kante zu klettern und das gäbe wiederum ein Bild zum Lachen. Der Anblick der Bergkuppen gegenüber hingegen ist einfach nur wundervoll. Wieder einmal wird mir bewusst, was für eine majestätische Landschaft die Natur hier in vielen Jahrmillionen geformt hat und auch, welche große Verantwortung wir Menschen übernehmen müssen: Schützen, pflegen und erhalten! Für uns, für unsere Kinder und unsere Enkel. In der Wasserfläche spiegeln sich, tausenden kleinen Kristallen gleich, die Sonnenstrahlen. Eine dünne Eisschicht hält sich noch am Ufer, aber die Kraft der Mittagssonne ist schon deutlich zu spüren. Mir ist warm unter dem Mantel und der Planet brennt die ersten Markierungen in mein Gesicht. Hinlegen und sonnenbaden wäre jetzt eine gute Idee, aber Madame Lily hat etwas gegen Ruhe. Sie quängelt einer Diva gleich und hätte es am liebsten, wenn man sie im Arm, wie in einer Wiege, tragen würde. Keine Ahnung, wie so ein kleines Tier diese Umgebung wahrnimmt. Wir entscheiden uns zur Weiterfahrt und starten zur letzten Etappe in Richtung Torfhaus auf mehr als 700 Höhenmeter. Unser Ziel ist ein Weg zur Wolfswarte irgendwo dort oben und im Wald. In Altenau biege ich von der Hauptstraße nach links ab. Von jetzt ab geht es steil nach oben zum Nationalpark Hochharz (und in den letzten Schnee). Es ist Sonntag und über dem Harz lockt ein strahlend blauer Himmel. Je höher sich die Straße windet, desto höher werden die Schneebarrieren am Waldrand. Dann ein kleines Schild: 700 Meter. Irgendwo hier muss doch dieser Weg zur Wolfswarte beginnen, denke ich noch, da wird die Straße plötzlich von reihenweise parkenden Autos eingeklemmt. Herzlichen Glückwunsch, wir nähern uns Torfhaus! Jeder Einheimische würde es sich verkneifen, sonntags bei so einem Strahlewetter hier hoch zu fahren. Den kleinen Parkplatz zur Wolfswarte habe ich verpasst, Wenden – Fehlanzeige. Oben angekommen, sieht es nicht viel besser aus. Kennzeichen wie HB (keine Zigarettensorte) oder HH (nicht mit dem Rockfan aus EE zu verwechseln) sowie H (ist nicht der Harz) und KS (hat mit Kassler nichts zu tun) sind weit in der Überzahl. Im Stillen hatte ich gehofft, am Torfhaus mal kurz das Fahrzeug zu parken und ein paar Schritte zu laufen, um Fotos Richtung Brocken zu erhaschen. Das wird nix! Ich blinke rechts, begebe mich auf die Piste und schleiche dem Autokorso nach Braunlage hinterher. Dass hier oben eine Dame namens Friedericke gewütet hat, verdeckt teilweise die Schneedecke oder die Blechbarriere am Rand. Torfhaus an solchen Tagen zu besuchen, kommt einer Fahrt ins blanke Chaos gleich. Winterfreuden sehen anders aus, es kann aber auch sein, dass ICH mich irre und dieser Zustand hier normal ist. Wenige Kilometer hinter Braunlage verkündet ein Schild das Ende von Niedersachen. Ab jetzt gehört der Harz wieder uns und „Kukki“ darf seine Erbsensuppe feilbieten. Wie vor einem Jahr stellen wir hier das Blech ab, lassen die Hundelady von der Leine und suchen Zuflucht im Wald: Ruhe und Einsamkeit. Die hierher kommen, wollen auf der Schneise rodeln oder wandern. Unsere Schritte führen uns schon nach wenigen Metern auf einem verschneiten Waldweg in die Stille der Abgeschiedenheit. Links und rechts recken sich Baumstämme gen Himmel und tragen oben ein dichtes Dach aus verzweigten und dichten Nadeln. Nur ab und zu tastet sich ein Sonnenstrahl wie ein Spot hindurch, als wolle er zeigen, dass auch hier Friedericke Spuren aus abgeknickten Baumriesen hinterlassen hat. Wir steigen darüber hinweg oder umgehen das Holz. Keine Loipe, keine Fahrspuren, nur urbaner Winterwald. Im Schnee werden die Beine schnell müde, doch wohin dieser Weg führt, ist nicht zu erkennen. Lily verschwindet darin und schaut uns hilfesuchend an. An ihren Pfoten bilden sich kleine schmerzhafte Eisklumpen. Es ist ein Zeichen zur Umkehr. Genug geabenteuert und geausflugt! An der Erbsenkanone von „Kukki“ kann ich mir den Kauf einer „Bockworscht“ nicht verkneifen. Die wird frisch aus der Erbsensuppe gefischt und mit Mostrich (statt mit Senf) eingeschmiert. So schmeckt eine urdeutsche Delikatesse einfach traumhaft gut. Diese Tour hat Spaß gemacht und einige neue Flecken in den Focus gerückt. Wenn die Mühen der vergangenen Monate überwunden und der Normalzustand wieder hergestellt sein werden, wollen wir die Verlobungsinsel mit ihrer Stempelstelle endlich finden, vielleicht auch am Wasserfall eine Wanderung beginnen, aber auf jeden Fall die Gegend um Torfhaus erkunden und Richtung Brocken hinauf steigen. Den Gipfelsturm werden wir allerdings von Osten aus starten. Der Wessi muss das Plateau nämlich wieder per pedes verlassen, ein Ossi hingegen wird von seiner Harzbahn nach unten gefahren. An manchen Orten ist die Geschichte eben doch gerecht verlaufen.                                                                          Oh Bockworscht, oh Bockworscht,                                                                          du schmeckst ’mer wie bleede,                                                                          da hilft och keen beherrsch’n,                                                                          kaue gleich noch ’ne Zweete.       
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.